Vorbereitung für den High Sierra Trail
Wie schon 2013 hatte ich die Möglichkeit auf eine wissenschaftliche Konferenz in die USA zu fahren, was natürlich bedeutete, dass ich keine Flugkosten hatte. Auch dieses mal war der westliche Teil der USA das Ziel, diesmal aber Los Angeles statt Las Vegas. Natürlich wollte ich den anschließenden Urlaub nicht in LA verbringen, sondern wieder in mindestens einen der Nationalparks fahren. Da die Sierras mit den drei Nationalparks Yellowstone, Yosemite und Sequoia nicht allzu weit weg liegen, war es naheliegend diese Richtung einzuschlagen. Nach etwas Recherche habe ich dann herausgefunden, dass es einen Weg quer über die Sierras, vom Sequoia National Park nach Lone Pine gibt und dieser Nationalpark zusätzlich zu den am wenigsten besuchten Parks gehört. Die Entscheidung den High Sierra Trail von Sequoia National Park nach Lone Pine zu gehen war also gefallen.
Als Nächstes stellte sich natürlich die Frage, wie ich zum Ausgangspunkt des High Sierra Trails hin beziehungsweise vom Endpunkt weg kommen sollte. Etliche Stunden später hatte ich einen Weg in den Nationalpark gefunden: Per Zug von LA nach Vesalia und von dort mit dem Nationalparkbus in den Nationalpark. Preislich mit 25$ auch akzeptabel. Für den Rückweg aus Lone Pine musste ich noch etwas länger suchen, aber auch hier habe ich eine Möglichkeit gefunden. Direkt von Lone Pine fährt ein Bus der Eastern Sierra Transit Gesellschaft zu einer der Endstationen der Vorortbahnen von LA. Auch diese Strecke war mit 25$ durchaus bezahlbar. Das Ticket für die Vorortbahn mit 23$ ebenfalls.
Da der Bus für die Rückfahrt nicht täglich unterwegs ist, hat sich für mich ein Zeitfenster von zehn Tagen ergeben. Für den High Sierra Trail waren auf einschlägigen Internetseiten sieben Tage angegeben – macht mit einem Tag Sicherheit acht Tage. Die verbleibenden zwei Tage Tage wollte ich im Normalbereich des Nationalparks verbringen. Bevor es dann losgehen konnte habe ich von Deutschland aus die erste Übernachtung im Nationalpark gebucht. Leider hatte der Campingplatz nur noch für eine Nacht einen Platz. Die zweite Nacht wollte ich dann irgendwo verbringen – wird schon gehen.
In LA angekommen habe ich mich dann erstmal um die letzten Ausrüstungsgegenstände für den High Sierra Trail, darunter Gas zum Kochen, gekümmert. Dafür war ein REI Markt in der Nähe, wo ich auch meinen Bear-Canister (Bärenkanister) hätte kaufen können, hätte ich mir diesen nicht vorher sicherheitshalber aus den USA importiert. Man weiß schließlich nie und ohne Kanister keine Tour. Nach dem Ende der Konferenz habe ich mir noch anderthalb Tage LA angeschaut und meine gesamten Vorräte gekauft, bevor es dann endlich losging.
Anfahrt
Nachdem ich alle meine Sachen, die ich auf dem High Sierra Trail nicht dabei haben wollte sicher im Koffer verstaut und diesen an der Rezeption des bahnhofsnahen Hotels abgegeben hatte, ging es los Richtung Sequoia National Park. Zunächst war eine Busfahrt von LA Union Station nach Bakersfield fällig. Das Schienennetz ist hier nicht wirklich dicht, daher werden viele Fahrten zwar durch eine Eisenbahngesellschaft abgewickelt, aber mittels Bussen durchgeführt. Da es aber die selbe Gesellschaft ist, muss man auch nur ein Ticket kaufen, was ich bereits in Deutschland über das Internet erledigt hatte.
Nach etwas Kurverei im gut klimatisierten Bus erreichte ich am Nachmittag Bakersfield. Hier konnte ich dann in einen richtigen Zug umsteigen, der mich zum nächsten Stopp (Hanford) bringen sollte. Auch diese Fahrt verlief ohne viel Aufsehen und Vorkommnisse, so dass ich am Abend am Bahnhof von Hanford angekommen bin. Dort hieß es dann warten. Zwar war der Bus für die Weiterfahrt schon da, aber einsteigen durfte man nicht. Also habe ich die knappen zwei Stunden auf dem Bahnsteig verbracht und den amerikanischen Zugverkehr, inklusive der langen Containerzüge, beobachtet. Am Ende meiner Wartezeit ging es dann endlich an den Zielort des Tages – Visalia.
Visalia war der Ausgangspunkt der letzten Reiseetappe zum Sequoia National Park und dem High Sierra Trail. Leider fuhr der Bus aber erst am nächsten Morgen.
Zunächst stand in Visalia allerdings der erste Marsch mit vollem Gepäck an, da der Bus des nächsten Tages zwar auch am Visalia Transit Center hält, dort aber kein Zimmer mehr zu bekommen war. Also musste ich knappe sechs Kilometer durch Visalia zum Motel 6 am Stadtrand laufen, wo ein weiterer Halt des Busses ist. Wie zu erwarten war das Zimmer in der Kategorie „für eine Nacht geht das schon“.
Der Touristenweg
Früh am nächsten Morgen ging es dann raus und auf die menschenleere Straße stellen um dort vom Bus mitgenommen zu werden. Der kam sogar einigermaßen pünktlich. Nachdem drei weitere Wanderer eingesammelt waren, ging es die 50km zum Sequoia National Park und gleichzeitig 2000 Höhenmeter nach oben.
Ich stieg am ersten Halt des Busses im Nationalpark (Giant Forest Museum) aus, um über einige Umwege um 13 Uhr am Nationalparkbüro zu sein, da ich dort meine Wandergenehmigung für den High Sierra Trail abholen musste und zwar pünktlich. Kommt man nicht pünktlich, wird die eigene Genehmigung unter den Anwesenden verlost – keine gute Aussicht.
Folglich schulterte ich meinen zu diesem Zeitpunkt noch sehr vollen Rucksack (Nahrung für zehn Tage, davon die ersten zwei noch recht luxoriös) und wanderte los. Zunächst immer nach oben zum Moro Rock durch einen schönen Mammutbaumwald mit vereinzelten Lichtungen, später dann lichter werdend, bis ich mitsamt Rucksack die letzten Höhenmeter auf den Moro Rock zurücklegte. Einst war der Felsvorsprung eine spirituelle Stätte der hier lebenden Indianer. Leider wurde meine Aussicht durch die allgegenwärtigen Rauchschwaden der zahlreichen Waldbrände beeinträchtigt. Mehr als ein paar Kilometer konnte ich nicht schauen.
Nach kurzer Rast auf dem Fels ging es für mich weiter zur Crescent Meadow, dem offiziellen Startpunkt des High Sierra Trails. Da ich jedoch auf dem Campingplatz einige Kilometer weiter übernachten wollte, war meine erste Etappe etwas anders geplant. Kurz nach der Lichtung schließt das Giant Forest Museum an, ein Wald großer Mammutbäume, der mittels breiter Wege für den Allgemeintoursiten erschlossen ist. Die Bäume sind tatsächlich sehr eindrucksvoll und ein toller Einstieg in den Nationalpark. Inzwischen war es bereits nahe Mittag und so folgte ich den zunehmenden Menschenmassen zurück zur Straße, um per kostenlosem Shuttlebus zum Nationalparkbüro und dem anschließenden Campingplatz zu kommen. Da ich überaus pünktlich und damit der Erste war, konnte ich ohne viel Wartezeit meine Genehmigung (Permit) in Empfang nehmen und mich anschließend zum Camingplatz aufmachen. Ich hatte einen Platz am Ende des Platzes ergattert, der zwar zwei Kilometer Fußmarsch bedeutete, aber dafür direkt am Rand zur Natur lag. Da es nach Aufbau des Lagers und Unterbringung der Lebensmittel in bärensicheren Metallkisten bereits recht spät am Nachmittag war, verbrachte ich den Rest des Tages mit duschen, kochen und einer kleinen Runde um den Campingplatz.
Dabei war der Aufbau des Lagers ein Novum für mich, da ich es in Europa bisher nicht gewagt hatte, ohne Zelt, nur mit Tarp im Freien zu übernachten. Die enorme Gewichtsersparnis in Kombination mit dem geringen Regenrisiko in den Sierras im Sommer haben mich zu diesem Experiment überzeugt. Der Aufbau verlief tatsächlich ohne Probleme, so dass ich mit Einbruch der Dunkelheit in meinen Schlafsack klettern konnte.
Die erste Bewährungsprobe
Die Nacht endete früh um sechs Uhr, weit vor jedweder Regung in den Autos, Wohnwagen und Zelten der Umgebung. An meinem zweiten Tag im Nationalpark war eine Wanderung zum Aufwärmen vorgesehen. Von den Lodgepole Campgrounds entgegen der Richtung des High Sierra Trails, hinauf zum Silliman Pass (13,8km einfach). Von dort versprach ich mir einen guten Blick in eine Richtung die ich sonst nicht sehen würde. Einen Großteil meiner Nahrung ließ ich mit Erklärungszettel in einer der Bärenkisten zurück – ich wollte schließlich nur eine Nacht außerhalb verbringen und am nächsten Tag alles wieder einsammeln.
Der Weg führte zunächst ohne viel Aussicht durch einen dichten Wald hinauf zur Cahoon Meadow, der Lichtung, auf dem ich bei meiner Rückkehr vom Pass mein Nachtlager aufschlagen wollte. Anschließend ging es weiter bergauf, bis ich die Seen unterhalb des Passes erreichte. Die Seen waren das erste Highlight des Tages, nachdem der Wald nicht übermäßig spektakulär war. Trotzdem hielt ich mich nicht lange dort auf, sondern ging zügig weiter. Unterstützt wurde ich bei meinem schnellen Vorankommen von meinen nagelneuen Carbonstecken – eine Premiere, nicht nur diese Stecken, sondern Stecken überhaupt, da ich Stecken bisher für unnützes Zusatzgewicht hielt.
Am Pass angekommen widmete ich mich zunächst meiner Brotzeit und der grandiosen Aussicht auf die umliegenden Gipfel und Täler, bevor ich noch etwas Kartenstudium betrieb um mein Nachtlager näher zu bestimmen. Anschließend begann ich den Abstieg zurück Richtung Campingplatz. Bereits nach kurzer Zeit stellte sich ein stechender Schmerz im linken Knie ein, der meine Wahrnehmung der Umgebung trübte und mit zunehmender Wegstrecke immer mehr zunahm. Pausen beziehungsweise das erneute Losgehen danach waren noch viel schlimmer. Diverse Selbstversuche mit Geschwindigkeit, Beinhaltung und Stecken später hatte ich herausgefunden, dass wohl die Stecken Ursache des Schmerzes waren. Ich musste wohl mein Bein durch die Stecken unbewusst etwas anders bewegt haben, was nun zu einer Überlastung geführt hatte. Also Stecken weggepackt und ohne diese den nun recht beschwerlichen Weg Richtung Nachtlager fortgesetzt. Auf dem Weg kamen mir nun Zweifel, ob ich tatsächlich auf der Cahoon Meadow übernachten sollte. Nicht unbedingt wegen meines Beines, eher wegen meines zurückgelassenen Essens. Ich hatte zwar keinen Platz auf dem Campingplatz, beschloss aber letztlich trotzdem nach Unten zu gehen und mein Glück zu versuchen – letztlich hätte ich mich auch irgendwo dazulegen können.
Etliche Kilometer schmerzhaften Weges später war ich am frühen Nachmittag wieder an den Lodgepole Campgrounds und stellte mich dort in die Autoschlange an der Rezeption an. Tatsächlich war ein einziger Platz frei, den ich aufgrund der Lage an der Straße und vielleicht auch weil ich so gequält geschaut habe, für 10$ statt für 22$ bekommen habe. Das erste Problem war also gelöst – das zweite (das Bein) wollte ich durch ausgedehnte Ruhe in den Griff bekommen. Somit war nach dem Duschen und Essen „Geradeausschauen“ angesagt.
Mit Einbruch der Dunkelheit wurde ich dann von einem verzweifelten Camper heimgesucht. Er war auf der Suche nach einem Schlafplatz, bekanntlich war auf dem Campingplatz aber nichts mehr frei. Er bot mir 10$ sofern er sich zu mir stellen dürfe. Natürlich willigte ich ein und schlief so für umsonst.
Hinein in die Wildnis
Zur üblichen Zeit (6 Uhr) wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Diesmal für meine erste Etappe auf dem High Sierra Trail. Mein Knie hatte sich über Nacht nicht wesentlich gebessert. Abknicken und damit auch das Gehen war äußerst schmerzhaft, ließ aber mit etwas erzwungener Bewegung zumindest so weit nach, dass ich passabel vorwärts kam. Wird auf dem Weg schon besser werden…
Meine erste Etappe war mit 13,5km überschaubar, lediglich die Überschreitung des ersten Bergkammes vom Campingplatz hinüber zum eigentlichen Trail sollte anstrengend werden.
Nachdem ich meine Sachen zusammengepackt hatte und alle noch überflüssigen Gegenstände und Nahrung entsorgt hatte, ging es los. Die Landschaft war hier noch recht eintönig: dichter Wald. Erster Höhepunkt auf der ersten Etappe des High Sierra Trails war die Panther Gap, also der Übergang ins Nachbartal. Von hier bot sich ein wunderbarer Ausblick auf die Gipfel und das Tal. Leider war ich schon bald erneut in dichtem Wald, der bis zu meinem ersten Übernachtungsplatz, dem Nine Mile Creek (mit Bearbox), auch nicht aufhörte. Trotz meines nach wie vor schmerzenden Beines hatte war ich bereits um kurz nach elf Uhr dort. Den Drang auf dem High Sierra Trail weiterzugehen unterdrückte ich in der Hoffnung, so eine Besserung meines Knies herbeizuführen. Also verbrachte ich den Nachmittag mit nervigen Fliegen töten (die waren extrem langsam), einigen Gesprächen und dem Beobachten der Pferdetrecks, die Nahrung zur Bearpaw Meadow Hütte brachten.
Aufgrund der Lichtverhältnisse im Wald kamen schon bald nach Beginn der Dämmerung auch noch Mücken, so dass ich mich recht bald in meinen Biwaksack (mit Mückennetz) verzog und viel schlafen konnte.
Bergseen
Der nächste Tag begann mit der Erkenntnis, dass der kurze Vortag tatsächlich zu einer wesentlichen Besserung meines Knies beigetragen hatte. Es war nicht schmerzfrei, aber erträglich. Zweite Erkenntnis des Tages war, dass der Beutel des Wasserfilters es nicht aushält, mit äußerster Kraft gequetscht zu werden um den Durchfluss zu erhöhen. Kurz vor dem Losgehen zerplatzte dieser folglich beim Versuch meine Flaschen etwas schneller zu füllen. Einige Minuten Fummelei und etwas Klebeband haben den Beutel dann aber so weit repariert, dass ich wieder Wasser filtern konnte. Ob das Wasser überhaupt gefiltert werden musste, weiß ich zwar nicht, aber herausfinden wollte ich es auch nicht.
Der High Sierra Trail ging weiter sanft bergauf, so dass ich nicht weit hinter Bearpaw Meadow endlich die Waldgrenze hinter mir ließ und damit auch endlich etwas Ausblick hatte. Das Wetter war weiterhin ohne jede Wolke, so dass ich beschloss ab sofort mein Tarp nicht mehr aufzubauen.
Nach etlichen Kilometern wurde die Landschaft rauher und felsiger. Immer weiter ging es bergauf, bis ich den Hamilton Lake bereits am frühen Nachmittag erreichte. Trotz der noch frühen Zeit ging ich nicht weiter, da ich mein Knie noch schonen wollte und außerdem die Möglichkeit hatte im See ausgiebig zu baden und in der Sonne zu liegen, wovon ich natürlich auch Gebrauch machte. Die Zeit bis zum Abend verging schnell, auch aufgrund einiger Gespräche, die ich mit Leuten führte, die mit hochrotem Kopf den Weg vom ersten großen Pass (Kaweah Gap) in der Mittagshitze herunterkamen und entsprechend aussahen.
Am späten Nachmittag kamen dann noch ein paar wenige Leute, die ebenfalls am See übernachten wollten. Zwei hatten kleine leichte Stühle dabei, deren Komfort man durchaus etwas abgewinnen konnte. Die Gespräche drehten sich um die Wandererlebnisse der Vergangenheit und allerlei (lustige) Begegnungen mit Bären. Bekanntlich sind Schwarzbären, wie es sie in den Sierras gibt eher Sammler, wohingegen der Grizzly ein Jäger und damit für den Menschen wirklich gefährlich ist. Eine der Geschichten nach lassen sie sich allerdings durch eine Drucklufttröte verunsichern… .
Mein Nachtlager schlug ich unweit des Sees auf Felsboden auf, meine Mitwanderer ihr Zelt etwas weiter entfernt in einem Gebüsch. Wie sich jedoch bald herausstellen sollte, waren beide Schlafplätze suboptimal. In der Nacht begannen sehr starke Fallwinde vom Grat hinunter über den See zu uns zu wehen. Mein Platz war diesen Winden praktisch ungeschützt ausgeliefert. Ich drehte mich irgendwann mit dem Rücken zum Wind und konnte so passabel schlafen. Das Zelt war zwar etwas besser geschützt, dafür stand es aber auf Sandboden, der durch den starken Wind aufgewirbelt und dessen feine Anteile durch die Zeltwand hindurch in das Zelt gedrückt wurden, so dass im Inneren eine Staubkammer entstand. Folge hiervon war, dass meine Mitwanderer Nachts aus dem Zelt flüchten mussten.
Der lange Weg der Erkenntnis
Inzwischen war ich durchaus versiert im Abbrechen meines Lagers, so dass ich mich nach nur einer knappen halben Stunde um 7:30 Uhr auf den Weg hinauf zur Kaweah Gap machte. Ich hatte meinen Mitwanderern verkündet den Aufstieg in nur anderthalb Stunden zu meistern, so dass ich folglich den Aufstieg recht zügig in Angriff nahm und tatsächlich nach einer Stunde 25 Minuten oben ankam.
Hier war ich zum ersten Mal seit dem Start des High Sierra Trails wirklich im Hochgebirge – und es war toll. Verstreute alpine Rasen, viel Fels und ein großartiger Ausblick über das Tal aus dem ich kam, vor allem aber über das Tal in das ich noch gehen sollte. Als Tagesziel hatte ich mir den 23,6km entfernten Moraine Lake ausgesucht, zu dem ich durch das Arroyo-Tal wandern konnte. Das Tal ist ein weitläufiges Trogtal, das mit abnehmender Höhe von Fels über Rasen zu einzelnen Bäumen und Baumgruppen bis zu dichtem Wald alles zu bieten hat. In der Mitte des Tals fließt der namensgebende Fluss, der trotz des trockenen Sommers ausreichend Wasser führte. Nach einigen Kilometern musste ich das Tal allerdings wieder verlassen, um meinen Weg zum Moraine Lake weiterzugehen. Dieser führte mich in ein trockenes Gebiet mit meist spärlichem Bewuchs, so dass ich in der Mittagshitze froh um meine Kopfbedeckung war. Kurz vor zwei Uhr am Nachmittag erreichte ich dann den See.
Leider musste ich recht schnell feststellen, dass die Trockenheit dem zuflusslosen See stark zugesetzt hatte. Der ohnehin flache See hatte sich bereits etliche Meter zurückgezogen und so war nur eine schlammige und mit Schwebstoffen durchzogene Wasserfläche übrig. Hier war ich froh um meinen Filter.
Ich wartete etwa eine Stunde am Seeufer, bis ein weiterer Wanderer des Weges kam, beim Anblick des Sees aber sofort beschloss weiter zu gehen. Nach einigen Überlegungen beschloss ich es ihm gleich zu tun und trotz der fortgeschrittenen Stunde (15 Uhr) noch zu versuchen die heißen Quellen (Kern Hot Springs) im nächsten Tal zu erreichen.
Bis zu den Quellen waren es weitere 12,4km, die ich natürlich noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollte, also war abermals zügiges Wandern angesagt. Der Weg führte abwärts in den Kern Canyon, von dem ich aber leider aufgrund des dichten Waldes nur einige sehr schöne Ausblicke mitnehmen konnte. Untem in Canyon angekommen ging es dann auf einem neu geschotterten Weg Richtung neuem Tagesziel. Leider war der Schotter auch das Problem auf diesem Weg, da er zum schnellen gehen aufgrund der Körnung nicht wirklich gemacht war. Trotz der Dämmerung, in der laut allgemeiner Aussage die Bären zum fressen auf die Lichtungen kommen, konnte ich keinen einzigen Schwarzbär sehen.
Als ich dann endlich um kurz vor 19 Uhr an den Kern Hot Springs ankam, war es im Wald schon sehr duster. Vorteil dieser Tatsache war, dass alle anderen an diesem Ort übernachtenden Wanderer bereits gebadet hatten und ich so ohne Wartezeit und Zeitdruck mein wohlverdientes Bad genießen konnte. Zum Baden wurde hier direkt neben dem Fluss ein kleines Becken betoniert, dass auf der einen Seite einen Heißwasserzufluss hat und auf der anderen Seite einen entsprechenden Abfluss, der mittels Stöpsel verschlossen werden kann. Die Wassertemperatur wird durch Zugabe von Flusswasser reguliert. Der Zufluss heißen Wassers ist recht gemütlich, so dass meine Badesession auch recht lang dauerte – war aber egal.
Letzte Aktion des Tages war Essen im Dunkeln und dann ging es auch schon in den Schlafsack.
Planänderung
Da ich durch meine spontane Etappenverlängerung des Vortags über den Moraine Lake hinaus bis zu den Kern Hot Springs einen ganzen Tag gewonnen hatte und mein Knie keinerlei Zicken machte, schmiss ich meinen bisherigen Plan über den Haufen und beschloss einen Ausflug weg vom High Sierra Trail in das Hochland zu machen. In der Karte war ein passender Weg verzeichnet, so dass ich mich frohen Mutes aufmachte.
Obwohl der Weg nur ein sehr kleiner Pfad war, habe ich die Abzweigung vom Hauptweg problemlos gefunden. Hier begann dann aber auch sehr schnell die Plagerei. Der Pfad war nicht sonderlich gut zu erkennen und führte zusätzlich sehr steil einen voll in der Sonne liegenden Hang hinauf. Dass der Weg durch Pferde vollkommen zerstört war und ich den Hang in der Mittagssonne erklimmen musste, half auch nicht gerade. Meine Wasservorräte neigten sich dementsprechend auch recht zügig dem Ende zu, so dass ich die letzten Höhenmeter ohne Wasser zurücklegen musste. Zusätzlich machte die Steigung meinem Knie zu schaffen.
Der von mir ausgesuchte Übernachtungsplatz sollte nahe einer Ranger-Hütte liegen, die ich aber mangels Weg (der hatte sich irgendwo im Fels verabschiedet) und ungenauer Karte nicht sofort finden konnte. Da ich keine Lust auf eine lange Suche hatte, folgte ich dem Fluss (Tyndall Creek), den ich kurz nach dem Erklimmen des Hangs fand, bis zum John-Muir-Trail, ging auf diesem bis zum Abzweig Richtung Hütte und auf einem gut sichtbaren Weg zurück zur Hütte und einige Meter weiter bis zu meinem Schlafplatz.
Der Aufstieg in der prallen Mittagssonne und die insgesamt 24,3km hatten mich soweit geschafft, dass ich nur noch einen kleinen Ausflug zum Fluss machte und mich dort meiner Salzkruste entledigte, auch wenn man das Wasser unglaublich kalt war. Die Hütte war unbewohnt und auch sonst ließ sich trotz Bearbox kein weiterer Wanderer an meinem Schlafplatz blicken, so dass ich meine erste Nacht ganz alleine verbrachte.
Das unbekannte Land
Meinen gewonnenen Tag wollte ich bekanntlich abseits des High Sierra Trails und der Menschen im Hochland mit Ziel Lake South America verbringen. Die Nacht war kühl bis kalt und so kam ich auf die grandiose Idee meinen morgentlichen Frühstücksbrei warm genießen zu wollen. Irgendwie hatte ich die Leistung meines Kochers unterschätzt, jedenfalls dauerte es keine zehn Sekunden, bevor es mächtig verbrannt roch. Der Genuss meines Frühstücks war dann entsprechend eingeschränkt. Mein Knie war wieder etwas schlechter und so ging ich nach dem missglückten Frühstück den halben Kilometer zurück zum John-Muir-Trail langsam und gut eingepackt. Nachdem ich aufgewärmt war, waren auch die Schmerzen weg und so ging es meist weglos durch felsiges Gelände mit 100en Seen. Jeder der Seen war sehr schön in die Landschaft eingebettet und bildete mit der Hintergrundkulisse der hohen Berge einen außergewöhnlichen Anblick.
Zur Orientierung dienten ebenfalls die hohen Gipfel, so dass ich nach etwa 12km sicher am Lake South America ankam. Da der See bereits deutlich über der Vegetaionsgrenze liegt, war nur sehr spärlicher Bewuchs vorhanden, umso besser kam das glasklare Wasser des Sees zur Geltung. Aufgrund der kalten Wassertemperatur und mangels Schatten entschied ich mich gegen ein Bad – im Nachhinein wohl die schlechtere Entscheidung.
Zurück ging es einen andereren Weg, der nach einem kurzen Anstieg vom See einen gradiosen Ausblick auf das Tal mit verschiedenen Vegetationsstufen und die Bergkette um den Mt. Whitney bot. Die karge Vegetation (maximal kleine alpine Rasenflächen) trug einen weiteren Teil zum Erscheinungsbild dieser ehrlichen Landschaft bei.
Nachdem ich die Rundtour (insgesamt 18,8km) abgeschlossen hatte, ging es zurück zum Schlafplatz des Vortages (Tyndall Creek). Abermals war der Tag zwar sehr schön, von der Weglänge aber deutich zu kurz ausgefallen, so dass ich den Rest des Tages mit der Planung für die letzten verbleibenden Tage verbrachte und mit verschiedensten Mittel versuchte meinen Topf vom angebrannten Brei zu befreien. Einweichen war vollkommen sinnlos, also habe ich mit spitzen Steinen und dem Schraubenzieher meines Messers den ganzen Mist weggekratzt.
Auf dem John-Muir-Trail
Mein Knie hatte sich von den Strapazen des vorletzten Tages erholt, so dass ich ohne Einschränkungen zum Tagesziel, dem Guitar Lake, aufbrechen konnte. Auf dem Weg (High Sierra Trail und gleichzeitig John-Muir-Trail) waren im Vergleich viele Wanderer unterwegs, absolut gesehen aber immernoch fast niemand. Der Weg führte unterhalb der hohen Berge entlang, bevor er die Abzweigung (Crabtree Meadow) zum finalen Anstieg erreichte.
Trotz der 20km des Tages erreichte ich den Guitar Lake bereits am frühen Nachmittag, was allerdings den Vorteil hatte, mir meinen Schlafplatz (fast) frei aussuchen zu können. An einem Ufer des Sees wurden im Laufe der Zeit etliche Schlafplätze unterhalb großer Felsen sowie durch geschichtete Steinmauern eingerichtet. Die einzelnen Plätze lagen recht weit auseinander und waren aufgrund der letzten bequemen Schlafmöglichkeit auf dem Weg zum Mt. Whitney recht begehrt. Ich suchte mir einen Platz unter einem großen Felsen aus, der zusätzlich an drei Seiten durch Steinmauern gegen den Wind geschützt war. Leider stellte sich bei der Vorbereitung meines Nachtlagers heraus, dass dieser Windschutzt außerdem einen hervorragenden Sichtschutz bietet, was irgendjemand direkt genutzt hat, um exakt in die Mitte der Fläche zu kacken. Inzwischen waren natürlich keine weiteren Schlafplätze mehr frei, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als außerhalb der Höhle zu schlafen und den Fels insgesamt als Windschutz zu nutzen.
Da ich das erste mal auf dem High Sierra Trail oberhalb der Baumgrenze übernachtete, war dieser Abend auch der erste mit ordentlichem Sonnenuntergang.
Ins Hochgebirge
Wie jeden Tag machte ich mich früh auf den Weg. Diesmal etwa 20,2km über den Mt. Whitney (4421.m, 900hm) zum Outpost Camp. Theoretisch kann man auch direkt vom Gipfel zum Whitney Portal absteigen, ich hatte aber erst vor am nächsten Tag per Anhalter nach Lone Pine zu kommen. Der Weg war gut ausgebaut und auch auf den letzten Metern zum Gipfel problemlos zu bewältigen. Offensichtlich war ich gut aklimatisiert, da mir die Höhe auch mit Rucksack, den ich im Gegensatz zu allen anderen nicht am Pass ließ, nichts ausmachte. Der Gipfelanstieg ist recht stark frequentiert, da auch die (Zwei-)Tagesausflügler von Whitney Portal diesen Weg nehmen und wohl jeder gute Amerikaner einmal im Leben auf dem Mt. Whitney gewesen sein muss. Damit nicht überall menschliche Hinterlassenschaften herumliegen, darf man das Gebiet nur betreten, wenn man einen speziellen Typ Platikbeutel mitführt, den man zusammen mit seiner Permit ausgehändigt bekommt. Dieser wird von den meisten Amerikanern auch genutzt, im Anschluss dann aber einfach in der Landschaft zurückgelassen. So liegen jetzt immer wieder prall gefüllte Beutel am Wegesrand.
Am Gipfel machte ich zur Abwechslung eine längere Pause, bevor es die vielen Höhenmeter (2000) hinunter ging. Zunächst geht der High Sierra Trail mittels 100 Kehren nach unten, später wird er flacher. Durch meine Pause geriet ich leider in die Mittagshitze, die an der Ostseite des Berges durch keinen einzigen Baum oder Strauch gemindert wird. Entsprechend sahen auch die aufwärts gehenden Wanderer aus.
Gegen Abend erreichte ich das Outpost Camp, schön gelegen an einem Wasserfall. Aufgrund der relativ geringen Entfernung zum Ausgangs- beziehungsweise Endpunk (8km) übernachten hier nicht viele Wanderer. Ich genoss den letzten Sonnenuntergang in der Wildnis, meine letzte Essensration und überlegte mir eine Strategie einen freundlichen Autofahrer für den Weg nach Lone Pine zu finden, um meine guten 180km Fußweg erfolgreich zum Abschluss bringen zu können.
Die letzte Etappe
Zum letzten Mal hieß es früh aufstehen, Frühstücksbrei machen und Zeug zusammenpacken, dann ging es die letzten 8km auf dem High Sierra Trail zum Whitney Portal. Anscheinend war die große Touristensaison bereits vorbei, jedenfalls war an der Straße nicht übermäßig viel los. Also beschloss ich mein Glück an der Ausfahrt des Campingplatzes einige Kilometer weiter zu versuchen. Hier stellte ich mich an die Straße und wartete. Etwa alle fünf Minuten kam ein Auto, aber keines wollte mich mitnehmen. Nach dem dritten Auto begann ich mich schon innerlich auf einen langen Tag neben der Straße einzustellen. Musste ich aber gar nicht – das vierte Auto nahm mich nach insgesamt 20 Minuten Wartezeit die 40km mit zum McDonalds in Lone Pine.
Hier versorgte ich mich mit weiterer Nahrung (ich hatte gute vier Kilo abgenommen) und informierte mich über den Zustand der Welt, bevor ich recht bald mein typisch heruntergekommenens Motel für 100€ die Nacht aufsuchte um mich hier wieder in einen zivilisierten Menschen zu verwandeln und meine Ausrüstung zu untersuchen.
Zurück in die Zivilisation
Meine Reise zurück nach Hause (über Los Angeles) war exakt geplant. Zunächst ging es um acht Uhr zurück zum McDonalds, dort wurde gefrühstückt, um 9:40 ging es dann vor die Tür um dort in einen Bus der Eastern Sierra Transit zu steigen. Erster Problem: der Bus hatte Verspätung. Zweites Problem: der Bus hatte eine stark unterdimensionierte Klimaanlage. Drittes Problem: die Dame neben mir war auf bestem Weg dickste Frau der Welt zu werden. Abgesehen von diesen Dingen verlief die Fahrt zügig bis nach Lancaster. Dort besteht Anschluss an die Vorortbahn von LA. Das Ticket wird im Bus bar und passend bezahlt – für die lange Busreise waren 25$ fällig.
Ich kam dank zügiger Fahrweise pünktlich in Lancaster an, allerdings galt das nicht für den Anschlusszug (23$). Dieser hatte 45 Minuten Verspätung, was das Erreichen meines Buses zum Flughafen natürlich unmöglich machte. Gottseidank fährt der Bus aber alle 30 Minuten. Um die vorhandene Zeit für die Gepäckaufgabe und die Sicherheitschecks aber nicht noch weiter zu reduzieren, war in LA ein Sprint angesagt. Erst zum Hotel, dort meinen deponierten Koffer geholt und dann wieder zurück zum Bahnhof und dort gerade noch in den Flughafenbus, der sich anschließend durch den dichten Verkehr zum Flughafen quälte.
Etwa zwei Stunden vor Abflug war ich dann am Flughafen, wechselte noch schnell meine Klamotten (war alles vorbereitet) und schaffte es dann in unter einer Stunde bis zu meinem Gate.
Ende gut – Alles gut.
Abschließende Gedanken
Den High Sierra Trail im August zu bewältigen habe ich nie bereut. Das sehr sichere Wetter zu dieser Jahreszeit war äußerst angenehm. Kein einziges Mal Regen und nur ein einziges Mal ein paar Wolken waren vom Wetter her perfekt. Trotz der Höhe war es jeden Tag heiß, besonders Mittags. Insofern war es gut jeden Tag früh aufzustehen und die unangenehme Hitze des Tages im Schatten oder einem See zu verbringen.
Die Orientierung auf dem Weg war sehr einfach. An absolut jeder Weggabelung oder Kreuzung stehen sehr detaillierte Wegweiser inklusive Entfernungsangaben, so dass man sich unmöglich verlaufen kann. Trotzdem ist eine Karte (in meinem Fall von National Geographic) sehr empfehlenswert beziehungsweise ein absolutes Muss.
Sollte es mich in der Zukunft noch einmal in die Region verschlagen, würde ich allerdings deutlich längere Tagesetappen einplanen. die von mir aus dem Internet entnommenen 20km pro Tag sind einfach viel zu wenig, um einen Tag sinnvoll zu füllen. Das liegt zum einen an den sehr gut ausgebauten Wegen, die ein schnelles Vorankommen ermöglichen, welches ich so nicht erwartet habe und zum anderen an den geringen Höhenunterschieden (<1000 Höhenmeter), die pro Tag zu bewältigen sind.
Unbedingt zu bedenken sind drei Dinge:
- Für den gesamten Weg ist eine Berechtigung (Permit) nötig, deren Ausstellung zum einen eine ganze Zeit dauert und zum anderen Mengenmäßig stark limitiert ist. Die Limitierung ist dabei tages- und startpunktbezogen – es dürfen immer nur eine fest Anzahl Personen pro Tag von einem bestimmten Ort (Trailhead) mit dem Trail beginnen. Wenn der gewünschte Startpunkt am Tag X also bereits ausgebucht ist, kann man entweder einen anderen Tag, oder einen anderen Ausgangspunkt versuchen. So kann man unter Umständen mit etwas Umweg trotzdem sein Ziel erreichen. Ich hatte meine Permit zum Beispiel für den Trailhead Richtung Siliman Pass ausgestellt, da das meine erste Berührung mit der Wildnis war. Meine Permit wurde am letzten Tag, beim Absteig vom Mt. Whitney auch von einem Ranger überprüft.
- Ohne Bärenkansiter darf man das Gebiet um den Mt. Whitney nicht betreten. Ob man einen Bärenkanister hat, wird ebenfalls von den Rangern überprüft. Genauso wie eine Fehlende Genehmigung kann auch ein nicht vorhandener Bärenkansiter sehr teuer und unangenehm werden. Bärenkanister können manchmal auch direkt vor Ort gemietet werden, allerdings sollte man sich hier vorher und vor allem frühzeitig informieren.
- Man befindet sich weit weg von jeglicher Zivilisation und Hilfe. Man sollte folglich wissen, was man da tut, besonders wenn man alleine unterwegs ist.
Trotz aller Strapazen war der High Sierra Trail definitiv die Mühen wert. Eine derartig weitläufige Wildnis ist in Mitteleuropa definitiv nicht anzutreffen.