Oskar

Das Expeditionsmobil als neues Familienmitglied

Im Frühjahr 2018, kurz nach unserem Urlaub, kam uns einmal mehr die Idee ein Campingfahrzeug zu kaufen, um in Zukunft (wieder) per Auto Urlaub machen zu können. Am Anfang standen die üblichen Verdächtigen, angefangen von Dacia Dokker, über einen VW-Bus bis zum Mercedes Sprinter. Während der ersten Fahrzeugsuche kamen dann lange gehegte Träume zum Vorschein, die im wesentlichen daraus bestehen, einmal eine „längere“ Reise zu unternehmen – wir wollten ein Expeditionsmobil (dass das Wort „Expeditionsmobil“ eigentlich schon für große LKW reserviert ist wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht).

Erste Ideen für ein Expeditionsmobil

Zunächst erstellten wir eine kleine Wunschliste aller Dinge, die unser neues Fahrzeug erfüllen sollte.

Unsere Wunschliste sah dabei in etwa folgendermaßen aus:

  1. Auch Straßen abseits asphaltierter Wegen sollen befahrbar sein. Kein extremes Gelände, aber eben abseits/entlegen.
  2. Um entlegene Gebiete anfahren zu können soll mindestens für zwei Wochen Proviant zuladbar sein.
  3. Um auch wassermäßig unabhängig zu sein soll entweder ein großer Tank, oder ein Filter an Board.
  4. Das Bewohnen im Winter (<-10°C) soll möglich sein, um z.B. Skifahren gehen zu können.
  5. Das Bewohnen bei schlechtem Wetter (mehrere Tage nass und kalt) soll möglich sein, um nicht nur auf den Süden beschränkt zu sein.
  6. Diverse Sportgeräte (z.B. Longbaord, Ski, Wanderausrüstung) sollen zuladbar sein.
  7. Ein Mindestmaß Komfort soll vorhanden sein (Sitzmöglichkeit, Bett, Kühlbox, Waschmöglichkeit).

Wahrscheinlich kann man all diese Punkte irgendwie auch mit mit einem kleinen Fahrzeug erfüllen, aber mit diesem Gedanken konnten wir uns nicht recht anfreunden. Also sollte es ein Sprinter werden. Nach einigen überschlägigen Berechnungen des wahrscheinlich benötigten Platzes, dem Studium der verfügbaren Fahrzeugabmessungen und -ausstattungen sowie dem Erstellen einer „Wunschliste“, war klar: ein hoher langer 4×4-Sprinter könnte gehen. Leider hatte ich in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der maximalen Zuladung hoher langer Sprinter gemacht (<1.000kg) und war entsprechend äußerst skeptisch.

Fast sah es so aus, als würde das gesamte Thema aufgrund der Gewichtsthematik wieder einschlafen…

Neuer Brennstoff für das Expeditionsmobil

Nach einigen Wochen hatten wir dann das Allrad-LKW-Forum gefunden und damit das Thema erneut ins Bewusstsein gerückt. Das Gewichtsproblem könnte man ja mit einem 7,5t-Fahrzeug angehen, auch wenn hierfür erst der entsprechende Führerschein (C1) gemacht werden müsste. Größer als ein Sprinter sollte es trotzdem nicht werden, auch wenn so ein LKW schon sehr verlockend ist.

Nun stellt sich aber direkt das nächste Problem: wo bekommt man einen hohen langen Sprinter mit 7,5t Maximalgewicht, Einzelbereifung und Allrad her? Und das Ganze natürlich auch noch bezahlbar. Dank der unglaublichen Informationsfülle im Forum lernten wir außerdem bald, was der Begriff Expeditionsmobil eigentlich meint und dass es auch durchaus kleine LKW gibt und manche davon sogar billiger als ein Sprinter sein können. Unser Sprinter-Plan geriet mehr und mehr ins Wackeln…

Erste Kandidaten für das Expeditionsmobil

Viele Stunden Lesen später standen zwei Dinge fest: mindestens einer von uns muss einen C-Führerschein machen, sei es für einen 7,5t-Sprinter, sei es für einen etwa gleich großen aber evtl. schwereren LKW und zur Auswahl standen Sprinter, Mercedes LT, Magirus-Deutz 170D11 sowie IVECO 110-17.

Bevor die Sache mit dem Führerschein allerdings überhaupt angegangen werden konnte, ergab sich plötzlich ein potentielles Fahrzeug: Ganz in der Nähe unseres Wohnort versteigerte die Herrschinger Feuerwehr einen sehr gepflegten Mercedes 1124. Nach einer kurzen Besichtigung stand für uns fest: der soll es werden. Also organisierten wir auf die schnelle einen Fahrer und boten einen stattlichen Betrag, trotzdem deutlich zu wenig für das Fahrzeug.

Nicht viel später – die Führerscheintheorie war schon fast geschafft – dann der nächste Kandidat: ein Magirus-Deutz 170D11 für 8.000€. Auspuff ab Krümmer neu, Einspritzdüsen neu, Motor und VTG abgedichtet, neue Kupplung, neue Steckachsen, Tragringe aufgearbeitet, neue verstärkte Vorderachsfedern, Bremse komplett erneuert, neue Druckluftbehälter mit Lufttrockner, Fußbremsventil und Handbremsventil neu – das wollten wir uns ansehen. Vor Ort fanden wir dann einen technisch anscheinend guten LKW und einen Verkäufer, der uns beiden sehr suspekt war. So gut der Magirus aussah, dem Verkäufer trauten wir nicht und so zerschlug sich auch dieser Kandidat. Außerdem entschieden wir: erst den Führerschein, dann den LKW.

Warten für das Expeditionsmobil

Nach der Theorieprüfung kam dann das bisher größte Ärgernis. Ich hatte gleich in einer der ersten Theoriestunden Fahrstunden ausmachen wollen, was mit Hinweis auf die geringe benötigt Anzahl derselben auf nach der Theorieprüfung vertagt wurde. Auch eine erneute Anfrage kurz vor der Prüfung wurde so beantwortet. Als ich dann die Theorieprüfung Ende August hatte, wurden mir ein erster Termin für den 29.11. mitgeteilt. Allerdings nicht am Telefon – nein ich musste zwei Mal persönlich erscheinen bis überhaupt etwas passierte.

Das hieß drei Monate warten. Drei Monate während derer einige sehr interessante Fahrzeuge den Besitzer wechselten, aber da inzwischen auch unser Fahrer nicht mehr im Lande war, gab es kaum eine Chance ein gekauftes Fahrzeug abzuholen. Reichlich frustriert hatte ich dann am 17.12. meinen C-Führerschein, dafür war immerhin die Planung des Mobils vollständig – sofern diese jemals überhaupt wirklich abgeschlossen sein kann.

Im Winter sah es dann sehr dünn mit Angeboten aus, dafür fanden wir noch einen möglichen Fahrzeugtyp: MAN 12.232. Von diesem Typ wurde zwei Tage nachdem wir darauf aufmerksam wurden auch ein Exemplar auf Zoll-Auktion verkauft. Leider zu kurzfristig um noch einsteigen zu können (das Fahrzeug hat sich ein großer Hersteller von Expeditionsmobilen geschnappt, der es jetzt mit stattlichem Aufpreis im Paket verkauft).

Das Expeditionsmobil

Am 04.02.2019 wurden wir dann über das Allrad-LKW-Forum auf eine Kleinanzeige bei E-Bay aufmerksam. Für einen passablen Preis sollte ein IVECO 110-17AW, bereits auf Einzelbereifung umgerüstet, verkauft werden. Ein erstes Telefonat klang vielversprechend und so wurde eine Besichtigung fünf Tage später vereinbart, die dann noch einmal um eine Woche verschoben werden musste. Am 16.02. war es dann endlich soweit und ein rostfreier, gepflegter LKW (mit TÜV) mit jede Menge Zubehör konnte von uns besichtigt werden. Der Verkäufer war sehr sympatisch und ehrlich und so stand schnell fest: das ist der Richtige. Also noch schnell den Papierkram erledigen und schon hatten wir plötzlich einen LKW.

Mitnehmen ging allerdings natürlich wieder nicht, weil hierfür Kurzzeitkennzeichen nötig sind, die man natürlich nicht ohne alle Fahrzeugpapiere bekommt. Also wieder 400km heim und eine Woche später (nach etlichen Problemen mit der Versicherung (LKW vs. SoKfz)) mit Kurzzeitkennzeichen sechs Stunden per Bahn zurück. Diese Woche Wartezeit ermöglichte immerhin das Finden eines ersten Stellplatzes (leider weit weg) und das Finden eines Namens: Oskar.

Jetzt muss „nur“ noch ein Expeditionsmobil aus ihm werden, so sehr ich auch versuche den Begriff zu vermeiden, weil er so mit Füss, Bimobil, Actionmobil, usw. verbunden ist. Ebenso wie maxd finde ich den Begriff Overlanding* sehr passend, auch wenn die deutsche Übersetzung Überland und daraus folgend Überlandfahrzeug etwas sperrig ist und sich keiner etwas darunter vorstellen kann.

Overlanding is self-reliant overland travel to remote destinations where the journey is the principal goal. Typically, but not exclusively, it is accomplished with mechanized off-road capable transport (from bicycles to trucks) where the principal form of lodging is camping, often lasting for extended lengths of time (months to years) and spanning international boundaries. [Wikipedia]

Nun kann also der Bau unseres Expeditionsmobils beginnen – der erste Schritt bei der Verwandlung Oskars ist das Entfernen der Pritsche…