Feinster Pulver am anderen Ende der Welt
Japan soll nicht nur den besten Schnee der Welt haben, sondern auch noch den meisten – den sogenannten Japow. Die Qualität soll Folge einer besonderen winterlichen Gegebenheit sein: sibirische Kaltluft trifft von Norden kommend genau über einem Teil der japanischen Alpen auf nasse tropische Warmluft aus dem Süden. Das soll besonders leichten Schnee ergeben, der zusätzlich in Mengen von bis zu 18 Metern (siehe Japan Snow-Route) fällt. Diese beiden Tatsachen wollten wir in einem praktischen Test überprüfen. Hierzu sind wir nach Hakuba gefahren, einem Ort der olympischen Winterspiele 1998. Nach unseren ersten Tagen in Japan kamen wir im Januar 2019 zu unserem Erstaunen bei vergleichsweise übersichtlichen Schneemengen in Hakuba an. Das war umso enttäuschender, da Süddeutschland und Österreich gerade einen Jahrhundertwinter mit gigantischen Schneemengen erlebten.
Da wir hauptsächlich mit Skifahren beschäftigt waren, gibt es gar nicht so viele Bilder. Dafür aber einen Film (der auch viel Tokio enthält)!
Die Unterkünfte
Wir hatten (notgedrungen) zwei Hostels in Hakuba gebucht, da wir keine Unterkunft fanden, die für die gesamten zwölf Nächte freie Zimmer hatte. Zuerst waren wir drei Tage im Snowbeds B&B Hostel, dann vier Nächte im Nomad Hostel und anschließend wieder fünf Nächte im Snowbeds B&B Hostel.
Das Snowbeds B&B Hostel ist ein altes japanisches Haus, mit relativ neuem Anbau. Über drei Etagen gibt es mehrere Schlafsäle und Doppelzimmer sowie einen großen Aufenthaltsraum, eine Küche und ein Esszimmer. Natürlich gibt es außerdem zwei Badezimmer und ein Trockenraum. Die Küche ist gut ausgestattet, im Aufenthaltsraum kann man vor dem Kamin sitzen. Der Trockenraum ist allerdings eine echte Bärenhöhle: der fehlende Abzug führt hier zu einem „interessanten“ Duft. Das Hostel ist etwa 500m vom „Base Camp“ und 30m von der nächsten kleinen Bushaltestelle entfernt.
Das Nomad Hostel war im Gegensatz deutlich edler. Nicht nur befindet sich im Erdgeschoss eine große Bar, in der morgens ein frisches Frühstück serviert wird, zusätzlich befindet sich im ersten Stock ein heißes Bad (da es sich nicht um eine natürliche Quelle handelt, ist es kein Onsen, auch wenn sonst alles genau gleich ist). Die Zimmer sind traditionell japanisch eingerichtet und daher entsprechend groß dimensioniert – ideal um alles Gepäck wild im Zimmer zu verteilen. Das Hostel liegt etwa auf halbem Weg vom Snowbeds B&B zum Base Camp. Der Besitzer ist hochmotiviert alle Wünsche zu erfüllen und den Aufenthalt angenehm zu gestalten.
Die Anderen
„Die Anderen“ sind die Australier, die in (für japanische Verhältnisse) großen Massen den kleinen Ort belagern. Leider sind es zu 90% Snowboarder, die selbst das nicht ordentlich können, so dass man nicht umhin kommt sie als die Holländer Japans zu bezeichnen. Selbst beste Hänge sind dank fehlendem Können binnen kurzer Zeit vollständig zerstört. Gott sei Dank sind es in absoluten Zahlen immernoch sehr wenig Leute, die sich die Hänge eines Skigebiets teilen müssen. Selbst Nachmittags um 16 Uhr, kurz vor Liftschluss, kann man noch jungfräuliche Pistenabschnitte finden.
Japaner fahren natürlich auch Ski, aber das natürlich nur am Wochenende.
Die Skigebiete
Insgesamt gibt es 10 Skigebiete in Hakuba: Jiigatake, Kashimayari, Sanosaka, Goryu, Hakuba 47, Happo-One, Iwatake, Tsugaike Kogen, Norikura und Cortina. Dabei gilt Cortina als das Freerideparadies, da hier fast ohne jede Beschränkung abseits der Pisten gefahren werden kann. Cortina und Norikura sowie Goryu und Hakuba 47 bilden jeweils ein zusammenhängendes Skigebiet. Happo One und Hakuba 47/Goryu sind die beiden größten Skigebiete, ersteres war Austragungsort der Abfahrts- und Slalomwettbewerbe. Mehr Infos gibt es hier.
Wir waren in Goryu/Hakuba 47, Happo-One, Iwatake, Tsugaike und Cortina. Aufgrund seines Rufes war Cortina extrem überlaufen – normalerweise mussten wir nie an einem Lift anstehen, dort fast pausenlos. Der Andrang führt auch dazu, dass man maximal einmal frischen Schnee hat, danach ist alles zerfahren. Hinzu kommt die schlechte Anbindung an den Rest des Tales. Unser Liebling war Tsugaike, obwohl auch hier der Wald im oberen Bereich sehr schnell zerfahren ist. Dafür kann man von hier auch auf Skitouren starten und auf den Pisten es ist sehr wenig los, so dass man auch noch Nachmittags frischen Neuschnee (Japow) finden kann. Die großen Skigebiete kommen ihren europäischen Pendants recht nahe, so dass man dafür nicht unbedingt extra nach Japan fliegen muss, vor allem weil man hier die Pisten unter Strafe nicht verlassen darf – kein Japow zu holen.
Das Wetter
Eigentlich ist das Wetter immer schlecht. Bis auf wenige Stunden hatten wir 13 Tage lang bedeckten Himmel, aus dem es immerzu leicht schneit, so dass es pro Tag mindestens zehn bis fünfzehn Zentimeter schneit. Hinzu kommt alle zwei bis drei Tage eine Niederschlagsfront, die dann 30 bis 40 Zentimeter Neuschnee bringt. Eigentlich hat man also jeden Tag mehr oder weniger viel Neuschnee. Dazu ist es im Tal immer knapp unter Null Grad mit wenig Wind.
Bezüglich der Schneequalität und der Schneemenge waren die Prognosen richtig. Der Schnee ist wie feinster Staub, fast schwere- und masselos. Durch den pausenlosen Schneefall entstehen entsprechende Schneemengen. War zu Beginn tatsächlich „nur“ etwa ein Meter Schnee im Tal, änderte sich das gleich am zweiten Tag mit dem Eintreffen einer ersten Niederschlagsfront und dem damit verbundenen Schneefall. Bis zu unserer Abreise war die Schneedecke deutlich angewachsen.
Die Verbindungen
In Hakuba gibt es diverse Möglichkeiten sich zwischen Unterkunft und Skigebieten zu bewegen. Der Ort selbst bietet einen sogenannten Hakuba Valley Bus an, der allerdings nur dann kostenlos ist (sonst 500Y), wenn man im Besitz eines Hakuba Valley Skipasses ist, der pro Tag etwa 6.000Y kostet (ein Tagesticket direkt im Skigebiet kostet zwischen 4.500Y und 5.000Y). Außerdem bietet jedes Skigebiet eigene Busse an, die mehrmals morgens und abends (etwa stündlich) fahren und nichts kosten.
Leider gibt es aber keinen allumfassenden Fahrplan, so dass es am Anfang schwierig ist herauszufinden, welcher Bus wann und wo fährt. Hat man diese Hürde genommen muss man nur noch damit leben, dass die Busse klein sind und meistens keine Möglichkeit bieten Ski und Snowboards außen zu transportieren. Entsprechend eng ist es dann im Inneren.
Unser Aufenthalt
Wir kamen am Nachmittag in Hakuba an und haben die restliche Zeit des Tages für Lebensmitteleinkäufe im kleinen Supermarkt des Echolandes und Internetrecherchen genutzt. Das Echoland ist das zentrale Touristenunterbringungsareal in Hakuba. Jede Menge Unterkünfte auf vergleichsweise engem Raum.
Tag 1
Für den ersten Tag hatten wir uns Happo One ausgesucht, da wir eine Mitfahrgelegenheit dorthin hatten. Leider waren alle oberen Lifte aufgrund eines einsetzenden Sturmes geschlossen, so dass wir uns dazu entschieden unser Glück an anderer Stelle zu versuchen. Wir hatten gelesen, dass Tsugaike weniger exponiert gelegen sein soll und fuhren daher dort hin. Tatsächlich war es am Ende ein schöner Skitag (komplett auf der Piste). Unser Mittagessen hatten wir in Jacky’s Kitchen, einem Currylokal direkt unterhalb der Gondelbergstation. Für etwa 10€ bekommt man hier eine gute Portion Curry und Suppen- sowie Getränkeflatrate. Hier sollten wir noch einige Mittagessen verbringen…
Tag 2
Da der Sturm weiterhin tobte wollten wir unser Glück in Hakuba 47/Goryu versuchen. Hier hatten zwar mehr Lifte geöffnet, aber ausgerechnet der Verbindungslift zwischen Hakuba 47 und Goryu war einer der Geschlossenen. Wir saßen also in einem kleinen Teil des eigentlich recht großen Skigebiets fest. Da wir aufgrund der Erfahrung des letzten Tages unsere Felle dabei hatten beschlossen wir also einfach die Piste entlang des geschlossenen Lifts nach oben zu laufen und so nach Goryu zu kommen. Dieser Plan verlief sehr erfolgreich, bis wir kurz unter dem Gipfel auf eine Pistenpatrouille stießen, die von unserer Idee wenig angetan war. Unter den wachsamen Augen der Aufpasserin mussten wir unsere Felle ablegen und zurück nach unten fahren – dies aber in feinstem Pulver. unserem ersten Japow. Unten angekommen haben wir dann beschlossen per Bus nach Goryu zu fahren. Da auch hier nicht alle Lifte geöffnet hatten, war die Pistenauswahl eingeschränkt, so dass wir zum Liftschluss wirklich alle Möglichkeiten ausgiebig gefahren waren.
Tag 3
Der Sturm hatte sich endlich gelegt – nicht ohne mächtig viel Schnee zu hinterlassen – und wir machten uns abermals nach Tsugaike auf, da uns das Skigebiet beim ersten Mal gut gefallen hat. Bis Mittags fuhren wir die diversen Pisten und die pistennahen Tiefschneehänge. Dann kehrten wir abermals bei Jacky’s ein, um danach mit Fellen in Richtung der Tsugaike Hütte aufzusteigen. Hier kamen wir gegen 15 Uhr an, führten eine kleine Lawinenschulung durch und fuhren dann bei gutem Wetter (!) wieder ins Skigebiet ab. Abends mussten wir dann unseren ersten Hostelwechsel durchführen – waren aber nur 500 Meter.
Tag 4
Tag vier war ein langer Pausentag mit Ausflug zum großen Supermarkt, etwa 30 Minuten Fußweg entfernt. Den gesamten Tag über hatten wir dichten Schneefall, so dass wir beschlossen am nächsten Tag das „berühmte“ Cortina auszuprobieren.
Tag 5
Der Besitzer unseres Hostels hat uns um sieben Uhr zum Happo Bus Terminal gefahren, damit wir dort um 7:30 den ersten Bus nach Cortina erwischen können, da es so früh keinen Zubringerbus zum Bus Terminal gibt. Leider kamen auch etwa 400 andere auf diese Idee, so dass wir letztlich gerade so in den dritten Bus kamen. Folge der Menschenmassen war Anstehen am Lift, eine Gegebenheit, die wir bis dahin noch nicht einmal im Ansatz erlebt hatten. Weitere Folge war, dass alle Abfahrten vom Gipfel Minuten nach der Liftöffnung vollständig zerfahren waren – man hatte genau einen Run, dann war alles kaputt. Um der Ansteherei zu entkommen fuhren wir viel abseits der Hauptroute am rechten und linken Rand des Skigebiets. Hier hatten wir diverse sehr schöne Abfahrten im tiefen Schnee. Mittags waren wir in einem kleinen Restaurant, geführt von alten Damen neben dem No.6 Pair Lift. Nach den Erfahrungen des Tages war klar: wir kommen nicht mehr wieder.
Tag 6
Zurück nach Tsugaike. Abermals hatten wir jede Menge Neuschnee, so dass wir viele sogenannte „First Tracks“ im Wald, auf der unpräparierten Piste und den Hängen neben der Piste genießen konnten. Mittags ging es wie immer abermals Jacky’s.
Tag 7
Unser zweiter Hostelumzug, danach Pause aufgrund akuter Krankheit.
Tag 8
Um nicht jeden Tag nach Tsugaike zu fahren – das wird langweilig – haben wir uns am achten Tag Iwagatake angeschaut, das in Sichtweite von Tsugaike und Happo One zwischen diesen beiden liegt. Das Skigebiet ist recht flach und bietet wenig Spannendes. Aber einmal kann man es sich auf jeden Fall anschauen.
Tag 9 – Japow
Der Wetterbericht und der Blick aus dem Fenster verhießen endlich ein bisschen gutes Wetter und so entschieden wir uns für eine Skitour hinter Tsugaike auf den Mt. Norikura. Zuerst geht es per Gondel zur Bergstation (1.000 Höhenmeter) und dann noch einmal 1.000 Höhenmeter zu Fuß bis auf etwa 2.437m. Zunächst führt der Weg den sogenannten Cat Track hinauf, eine gewalzte Forststraße zur Tsugaike Hütte (wird original „Hütte“ geschrieben). Von dort geht es einen langen bewaldeten Rücken nach oben bis zu einer ersten Hochebene. Hier sieht man im Abstand von etwa 10 Meter kleine, nicht mehr als ein Meter hohe, Bäume. Wie sich herausstellen sollte, befindet man sich dort im Sommer im Wald, wir sahen also nur die Spitzen der höchsten Bäume. Nach der Hochebene wird es wieder steil und man steigt am Rande der sogenannten Avalanche Bowl nach oben zum „Gipfel“, einer zweiten Hochebene, die aufgrund des immerwährenden sibirischen Windes fast schneefrei geblasen ist. Von hier könnte man zum Mt. Shirouma aufsteigen, dem höchsten Berg der Region mit 2.953m. Wir hatten aber ab dem Ende der ersten Hochebene mit eiskaltem starken Wind zu kämpfen, so dass wir uns am Gipfel eine kleine Kuhle gegraben haben um zumindest einigermaßen geschützt unsere Felle verräumen zu können – noch weiter hoch war keine Option. Aufgrund unseres guten Tempos waren wir fast die ersten oben, lediglich vier Schweizer konnten wir nicht mehr überholen.
Die Abfahrt war unglaublich. Ein Schnee – ein Pulver – Japow! Wir hielten uns in etwa an die Aufstiegsspur, fuhren aber unten nicht den Cat Track, sondern im Bachbett bis zur Gondelbergstation. Nach der Abfahrt ging es natürlich erstmal zu Jacky’s!
Tag 10
Nachdem es schon am Vortag wettertechnisch wieder schlecht geworden war, ging es zurück ins Skigebiet – diesmal (endlich) Happo One. Alle Lifte waren geöffnet und wir konnten die vielen Pisten ausprobieren. Tiefschnee findet man hier allerdings nur, wenn man zu Fuß das Skigebiet nach oben verlässt (Antrag nötig).
Tag 11
An unserem letzten Tag wollten wir bei gutem Wetter noch einmal unser Glück in Hakuba 47/Goryu versuchen. Um sicher zu gehen, fuhren wir diesmal direkt nach Goryu, was uns außerdem eine entspannte Fahrt brachte, da die Meisten den Bus nach Hakuba 47 nehmen. Dank offener Lifte und Pisten war das Skigebiet deutlich spannender als beim ersten Mal. Insgesamt ein guter Tag, auch wenn wir uns die Abfahrt nach links aus dem Skigebiet nicht trauten, da wir nicht wissen wo man am Ende landet und wie man wieder zurück kommt.
Die Rückfahrt
Am nächsten Tag ging es dann per Bus wieder zurück nach Tokyo. Kaum hatten wir Hakuba verlassen hatte es wieder deutliche Plusgrade und keinen Krümel Schnee, dafür endlich wieder Sonne!
Um keinen Stress zu haben, verbrachten wir noch einen Nachmittag und eine Nacht in Tokyo. Den Nachmittag verbrachten wir damit Ansichtskarten zu schreiben, einen Geldautomaten zu finden, der weniger als 10.000Y Mindestgeldmenge ausspuckt (VISA unmöglich, Mastercard möglich) und den angeblich besten Burgerladen in Tokyo zu besuchen, auch weil wir Lust auf Pommes hatten. Am Ende waren das die teuersten Pommes unseres Lebens – 20 Stück für 5€. Am nächsten Tag flogen wir dann direkt zurück nach München. Hierbei nahmen es die Japaner sehr genau mit den Lawinenrucksäcken, so dass wir letztlich fast unsere gesamten Koffer am Gepäckschalter entleert haben, bis alle zufrieden waren. Ansonsten war das Skigepäck, wie auch bei der Hinreise, kein Problem.
Fazit
Die Skigebiete in Hakuba sind im Gegensatz zu ihren österreichischen Pendants sehr klein, relativ flach und einfach ausgestattet. Sessellifte ohne Sicherheitsbügel gehören hier noch zum Standard, wenige Hänge wurden von Bäumen befreit. Das macht aber auch einen Teil des Charmes dieser Gebiete aus. Was dagegen etwas stört sind die fehlenden Verbindungen der Skigebiete untereinander, obwohl sie oftmals nur einen Hang voneinander entfernt sind. Dies hat zur Folge, dass man sich in viel zu kleine Busse quetschen muss, deren Fahrpläne untereinander kaum abgestimmt sind. Dennoch sind die Preise nahe dem österreichischen Niveau. Ebenfalls störend sind die meist Snowboard fahrenden Australier, die mit ihrer lauten Art im krassen Gegensatz zum leisen Japan stehen.
Was jedoch kein anderer Ort auf der Welt bieten kann, ist dieses Wetter und dieser Schnee. Die Luftigkeit und Menge der weißen Pracht, die tagtäglich kontinuierlich vom Himmel fällt ist berauschend und bezaubernd. Vielleicht muss man einfach eine etwas bessere Zeit finden, um dieses weiße Wunder etwas ungestörter genießen zu können. Einmal im Leben muss man es sich angeschaut haben.
Soweit zu unserem „Ausflug“ nach Japan, um den legendären Japow zu finden. Gefunden haben wir ihn, aber aufgrund der vielen anderen Suchenden leider viel weniger, als möglich. Wer also sicher gehen möchte immer besten Schnee zu haben, der sollte auf jeden Fall Skitouren gehen.