Japan – Wandern in den Zentralalpen

Wanderung von Kamikochi über den Hotaka zum Yarigadake

Unsere nächster und letzter Wanderstop sollte Kamikochi sein. Doch bevor es dort hin ging machten wir einen kurzen Abstecher nach Takayama, um uns dort die kleine Stadt anzusehen. Leider waren wir zwei Tage zu früh da, denn dort erfuhren wir, dass in Takayama zweimal im Jahr ein Festival statt findet, welches wir folglich leider verpassten.

Anfahrt & Parken

Zum Ende unseres Urlaubs hatten wir noch ausreichend Zeit ein letztes Mal die japanischen Alpen zu besuchen. Nachdem wir zuerst in den südlichen und anschließend in den nördlichen Alpen waren, kam – wie immer – das Beste zum Schluss: die Wiege des japanischen Alpinismus um den Ort Kamikochi.

Wie auch bei unseren beiden vorherigen Besuchen, ist das Gebiet um Kamikochi Nationalpark und damit nicht „einfach so“ zu erkunden. Vielmehr gibt es auch hier zwei Besucherparkplätze zu beiden Seiten des Haupttales (Hirayu Onsen und Sawando Parking Area), von denen in regelmäßigen Abständen Busse nach Kamikochi fahren. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit direkt aus Takayama in zirka eineinhalb Stunden und von Tokio aus in etwa fünf Stunden mittels Nohi Bus nach Kamikochi zu fahren.

Da wir aus Westen kamen, suchten wir uns Hirayu Onsen als Startpunkt für unsere Wanderung aus. Leider ist das Parken in Hirayu Onsen nicht kostenlos – im Gegenteil: pro Tag sind hier 600¥ zu berappen. Allerdings gibt es zwei Alternativen: zum einen kann man etwas vor Hirayu Onsen (von Takayama kommend), kurz nach dem Campingplatz an einer Tankstelle (GoogleMaps) parken, zum anderen gibt es knapp vor dem Campingplatz rechterhand eine große Kiesfläche (GoogleMaps), die im Winter als Parkplatz für den dortigen Skilift dient.

Wir wählten die große Kiesfläche, auf der wir die Nacht unmittelbar vor unserer letzten Wanderung verbrachten, bevor wir früh am Morgen unsere üblichen Sachen packten und die etwa 15 Minuten Fußmarsch zur Bushaltestelle hinter uns brachten. Der Ticketkauf gestaltete sich dank entsprechendem Automat problemlos und so standen wir kurze Zeit später als erstes in der Schlange für den Bus nach Kamikochi. Wie sich herausstellen sollte, war die Pole-Position in diesem Fall außerordentlich wichtig, da unser Bus nicht in Hirayu Onsen startete, sondern aus Takayama kam und daher entsprechend voll war – so voll, dass wir unsere (kleinen) Rucksäcke im Gepäckraum unterbringen sollten. Diese Tatsache hätte uns in Deutschland mit Sicherheit den Platz im Bus (nur Sitz-, keine Stehplätze) gekostet. Hier hingegen wurden wir vom allgegenwärtigen Einweiser zum Gepäckraum geführt, dieser für uns geöffnet, wir packten unser Gepäck hinein und das alles während alle anderen artig vor der Bustür warteten bis wir dann auch als erstes eingestiegen waren – herrlich. Die Fahrt selbst führte durch lange Tunnel und dichten Nebel ohne besondere Vorkommnisse hinauf zum 1500m hoch gelegenen Ausgangspunkt unserer Wanderung.

Die „Zentralalpen“

Im Gegensatz zu den vergleichsweise sanften Bergen der nördlichen und südlichen japanischen Alpen sind die Berge im Zentralteil deutlich schroffer. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass sich hier auch der sagenumwobene Daikiretto befindet, eine Kletterpartie zwischen zwei Gipfeln, die im Internet als 300 Meter tiefer, senkrechter Einschnitt angepriesen wird. Außerdem befinden sich im Gebiet um Kamikochi noch zwei interessante Berge: der Oku-hotaka (3190m) und das sogenannte Matterhorn Japans, der Yarigadake (3180 m). Natürlich wollte Felix sich weder den Daikiretto noch die beiden Gipfel entgehen lassen und war daher etwas betrübt, als Pici sich nicht vorstellen konnte in einer 300 Meter hohen Felswand zu hängen. Wir einigten uns auf das Übliche: ein Weg der auf jeden Fall geht, mit der Option auf Änderung nach Beschau. Soll heißen: sieht eine Stelle gut/nicht so schlimm aus, wird der Weg angepasst. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, nahmen wir für drei Tage Essen mit.

Aufstieg auf den Oku-Hotakadake über den Gens d’Armes

Kurz nachdem der Nebel das Tal verlassen und wir ein paar Hefeklöße gekauft und verspeißt hatten, starteten wir um acht Uhr unsere Runde. Der Weg – hier noch sehr breit ausgeführt – führte uns über die große Brücke zunächst am Fluss entlang durch ein großes Moor. Einmal mehr hatten wir großes Glück, als sich hier, direkt hinter ein Kurve, ein einzelner Affe in der Morgensonne wärmte und sich auch nicht von unserer plötzlichen Anwesenheit aus der Ruhe bringen ließ.

Bereits kurz nach dem Ende der Fotosession ging es dann hinauf zur ersten Hütte. An der Hütte verzweigt sich der Weg hinauf zum Oku-hotaka: Möglichkeit eins führt über den Mae-hotaka (3090m) hinauf, Möglichkeit zwei deutlich schwieriger über den Gens d’Armes (3163m). Die unterschiedliche Schwierigkeit der beiden Wege war uns allerdings nicht bewusst, so dass Pici sich – im Nachhinein positiverweise – für den Weg über den Gens d’Armes entschied und trotz zunehmender Zweifel bei ihrer Entscheidung blieb.

Der Weg quert zunächst in eine Rinne, der er im Anschluss bis zu einem Schuttfeld folgt. Ab hier geht es steil bergauf bis zur Scharte, der Tengu col, zwischen Ainodake und Gens d’Armes. In dieser Scharte stand vor einiger Zeit auch noch eine kleine Schutzhütte, die allerdings einem größeren Felsrutsch zum Opfer gefallen ist – dennoch kann man hier mit guter Aussicht Brotzeit machen.

Nach der Brotzeit ging es dann richtig los. In einer Mischung aus großen Felsblöcken und kleinen Felswänden klettert man dem Weg folgend mehr oder weniger durch Ketten gesichert dem Gens d’Armes (3163m) entgegen. Anfangs zögerlich, mit jeder neuen Herausforderung sicherer werdend kämpfte sich Pici über Fels und tiefe Abgründe dem Ziel entgegen, das wir nach 2200 Höhenmeter gegen 13 Uhr problemlos erreichten. Hier fiel dann auch der Entschluss am nächsten Tag den Daikiretto zu versuchen, denn „viel schlimmer kann es ja nicht werden“.

Zunächst stand uns jedoch eine weitere Kletterpartie bevor, zuerst hinunter in eine Scharte und anschließend wieder hinauf zum Oku-hotaka (3190m), die wir ebenso problemlos absolvierten. Im Gegensatz zum Gens d’Armes war der Gipfel des Oku-hotaka leider deutlich mehr bevölkert, aber immerhin noch im Rahmen. Die Aussicht war, wie schon am Gens d’Armes, grandios. Für ein Gipfelfoto mit dem Schrein muss man sich auf der gegenüberliegenden Seite anstellen. Dies erfuhren wir aber erst als Pici sich bereits unabsichtlich für ein Foto vorgedrängelt hatte. Als dann Felix zum Schrein emporsteigen wollte, machten uns ein Japaner höflich mit Zeichensprache auf die Schlange aufmerksam.

Nach kurzem Fotostop stiegen wir dann ab zur Hotaka-dake Sanso (GoogleMaps), vor der bereits eine kleine Zeltstadt entstanden war. Leider war uns nicht klar, wie man in den Genuss eines Platzes kommt, so dass wir uns auf gut Glück zunächst für eine Platznummer anstellten, nur um dort zu erfahren, dass man zuerst einen Platz haben muss und erst dann eine Nummer bekommt. Hat man keinen Platz, muss man für 6600¥ in der Hütte übernachten. Neben dem finanziellen Aspekt würde man dadurch auch bei allen ernsthaften japanischen Bergsteigern im Ansehen abstürzen, denn nur wer im eigenen Zelt schläft und seine eigene Nahrung trägt, ist in deren Augen ein guter Bergsteiger.

Inzwischen hatten wir leider so viel Zeit verloren, dass jeder offensichtliche Stellplatz belegt war. Kurzentschlossen quetschten wir uns nach kurzer Rücksprache mit unserem zukünftigen Nachbarn (der das Problem nicht nachvollziehen konnte) auf einen Pfad zwischen den Zelten auf dem Helipad. Im Laufe des Abends konnten wir dann feststellen, dass wir bei weitem nicht die Letzten waren, die noch einen Platz suchten und so war irgendwann jede noch so kleine Fläche (auch solche die wir nicht als solche identifiziert hätten) mit einem Zelt belegt, was das Durchqueren des Lagers zu einem Balanceakt werden ließ. Nichtsdestotrotz stolperte zu unserem Erstaunen nicht ein einziger Wanderer über die abgespannten Zeltleinen.

Den Abend ließen mit einer Portion Spaghetti mit Tomatensoßen ausklingen, während wir dabei den Sonnenuntergang genossen.

Über den Daikiretto zum Yarigatake

Da sich ein echter japanischer Bergsteiger mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang auf den Weg macht, war unsere Nacht wieder einmal recht früh am Morgen vorbei. Wir ließen uns zwar wie immer nicht von der allgemeinen Hektik anstecken, aber an Schlaf war angesichts des Trubels im Lager nicht mehr zu denken. Letztlich packten wir dann unsere Sachen zusammen, frühstückten und warteten geduldig auf den Sonnenaufgang – den ersten, den wir zu sehen bekamen.

Nachdem sich die Sonne über den Nebel im Tal geschoben hatte, brachen wir gegen sieben Uhr in Richtung unseres letzten Gipfels, dem Yarigatake, auf. In einer Mischung aus Schutt und Fels ging es zunächst immer am Grat entlang über Karasawadake (3110m) und Kita-Hotakadake (3106m) zur nächsten Hütte North Hotaka Hut.

Auf dem Weg trafen wir auf zwei Wanderer, die völlig fasziniert Fotos vom Weg machten. Beim genauerem Hinsehen entdeckten wir, dass dort gut getarnt Schneehühner auf dem Weg saßen. Schnell war die Kamera gezückt und einige Bilder gemacht, schließlich sieht man diese nur sehr selten.

Als wir an der Hütte eintrafen waren wir uns nicht sicher, ob wir den Daikiretto (Messerschneide oder Großer Einschnitt je nach Übersetzung) bereits hinter uns gebracht hatten oder nicht, wurden aber durch den dortigen Ausblick davon überzeugt, dass er noch vor uns lag. Tatsächlich ist der Daikiretto ein tiefer Einschnitt, den es zu überwinden gilt. Die sagenhafte Schwierigkeit lässt sich allerdings nicht finden – im Gegenteil: der Weg auf den Gens d’Armes war schwieriger. Insgesamt also nichts, was einen bergerfahrenen Bayer aus der Ruhe bringen würde und weit weg von jeder 300 Meter tiefen senkrechten Felswand voller tödlicher Schwierigkeiten und Totenkopfmarkierungen. Entsprechend gut gelaunt erreichten wir die drübere Seite, die allerdings in dichten Nebel gehüllt war, so dass wir von den drei Zwischengipfeln Minamidake (3024m), Nakadake (3084m) und Obamidake (3101m) nicht viel hatten.

Gegen Mittag klarte es dann wieder auf, so dass wir einen unbeschwerten Blick auf das Matterhorn Japans hatten, dass sich zunehmend vor uns aufbaute. Die letzten Meter von der Hütte Yarigadake Lodge zum Gipfel bestehen aus langen Leitern, die diesmal tatsächlich senkrecht durch den Fels gehen. Da sich hier auch viele ängstliche Japaner tummeln und die letzten Meter daher manchmal sehr lange dauern können, gibt es separate Leitern für den Auf- und Abstieg. Wir kamen einigermaßen zügig voran und waren so gegen 13 Uhr am Gipfel des Yarigadake auf 3180m. Der Gipfel fällt in alle Richtungen steil ab und so hat man von hier einen wunderbaren Ausblick auf die umliegenden Täler (z.B. Kurobetal), Gipfel und Berggruppen.

Zurück nach Kamikochi

Nach kurzer Rast und etlichen Fotos ging es dann an den letzten Abstieg – gute 2200 Höhenmeter und 25 Kilometer zurück nach Kamikochi. Da wir keinen Zeitdruck hatten und langsam die Beine schwer wurden, beschlossen wir am Zeltplatz, auf den wir als erstes bei unseren Abstieg trafen, auf 1900m noch einmal zu übernachten.

Am nächsten Morgen brachten wir dann, immer dem Fluss folgend (landschaftlich sehr schön, 300 Höhenmeter), die verbleibenden 20 Kilometer hinter uns, kauften in Kamikochi unser Busticket zurück nach Hirayu Onsen, fuhren Bus, liefen die letzten 15 Minuten zurück zum Auto und beendeten unsere letzte Bergtour glücklich gegen Mittag.

Den Rest des Tages verbrachten wir – wie immer nach einer Bergtour – in einem Onsen, um uns den Schmutz vom Körper zu waschen und für ausreichend Entspannung zu sorgen.

Fazit

Diese Wandertour war mit Abstand die Schönste, aber auch die anspruchsvollste Wanderung, die wir in Japan gemacht haben. Leider hatten wir das Pech, dass der Montag nach dem Wochenende ein Feiertag war und so an manchen Stellen relativ viel los war. Der im Internet furchterregend dargestellte Daikaretto stellt, sofern man etwas Erfahrung, Trittsicherheit und manchmal etwas Schwindelfreiheit mitbringt, kein Problem dar. Einziger Kritikpunkt an der Wanderung ist der sehr lange und wenig abwechslungsreiche Rückweg nach Kamikochi, den wir für das restliche Erlebnis gerne auf uns genommen haben